Reinhard Taege
Deutsche
Eisenbahn- und Heimatgeschichte


   Über die Elbe ...
   Die Fähre, Straßen- und Eisenbahnbrücken von Tangermünde und Hämerten

Mit der am 10. September 1933 eröffneten Straßenbrücke über die Elbe veränderte sich für die Stadt Tangermünde die Verkehrsanbindung an das Jerichower Land grundlegend und positiv. Blick vom Ostufer des Flusses auf das fast ein Kilometer lange Bauwerk (1937). Über sie führte die Reichsstraße 188 und ein passives Eisenbahngleis, dass einen strategisch-militärische Zweck dienen sollte.

Die 1. Elbe-Straßenbrücke ab 1933

Topographische Karte von 1935 mit der neuen Straßenbrücke über die Elbe (rot) und der Reichsstraße 188. Etwas unterhalb von ihr die stillgelegte Elbfähre (grünes Oval). Zwischen dem Ostufer der Elbe und Fischbeck ist auch die alte Fährstraße erkennbar.

Im Elbpark von Tangermünde, gleich neben der westlichen Brückenauffahrt war das erste Sammellager für die Wehrmachtssoldaten, hier endete dann der Alptraum (vorerst) für sie. Die Kolonnen zogen sich bis bis zum Bahnhof von Tangermünde hin. Dort wurden die Soldaten in Güterzüge verladen und in das Rheinland verbracht. Damit war die Lebensgefahr für sie aber noch nicht vorbei! In den Rhein-Auen starben noch viele unter den primitiven Haftbedingungen.

Eine Aufnahme vom 5. Mai 1945, noch drei Tage bis zur offiziellen deutschen Kapitulation.

Zwei Unteroffiziere der Wehrmacht tragen einen verletzten Kameraden über die zerstörte Straßenbrücke Tangermünde auf die Westseite der Elbe, dort gehen sie in US-amerikanische Gefangenschaft.  Die Erschöpfung nach den Anstrengungen der zurückliegenden Tage ist ihnen anzusehen. Viel Gutes wartet aber auch nicht auf sie!

Tangermünde am 10. September 1933. Frei nach dem Motto: „Wer etwas Schönes aufgebaut hat, darf es auch wieder kaputt machen“. Damit haben die hier abgebildeten Uniformierten und Zivilisten wohl nicht gerechnet, dass die neue Straßenbrücke nach nur  12 Jahren durch eigenes Verschulden ein Schrotthaufen sein wird.

Tangermünde, Arneburger Straße am 14. April 1945.

Die US-Army im Straßenkampf gegen Wehrmachts- und Volkssturm-Einheiten.

Am Ostufer der Elbe versammelten sich im April 1945 tausende Wehrmachtssoldaten der Kampfgruppe Wenck sowie Zivilisten, die hier versuchten, zu den alliierten Truppen über zusetzen, um der nachrückenden Roten Armee zu entkommen. Auch das Notgleis der Verbindungsstrecke Fischbeck – Tangermünde auf der linken Straßenseite ist erkennbar.     Foto: US-Luftaufklärung 20. April 1945

Stolz und vielleicht sogar Schadenfreude im Gesicht des US-Sergeants auf der zerstörten Tangermünder Elbe-Straßenbrücke im April 1945, als sich die ersten Wehrmachtsangehörigen unbewaffnet ergeben.    Foto: Slg. Reinhard  Taege

Zehntausende Wehrmachtsangehörige überschreiten nach dem 15.04.1945 und danach auf dem erhalten gebliebenen Notgleis die zerstörte Elbe-Straßen-brücke, um in US-amerikanische Gefangenschaft zu gehen. So konnten sie der Gefangennahme durch die Sowjetarmee entgehen. Das „schlechte Gewissen“ war wohl sehr ausgeprägt, der schlechte Ruf von Sibirien aber auch!


Die Brücke nach der Sprengung durch die Wehrmacht am 12. April 1945

Blick vom Ostufer auf die zerstörte Straßenbrücke mit dem Eisenbahn-Notgleis und Tangermünde im Hintergrund. Die Aufräumarbeiten haben im 2. Halbjahr 1945 bereits begonnen, das stählerne Mittelteil ist aus der Elbe entfernt worden um eine schmale Fahrrinne für Schiffe zu schaffen.


Wenn man verstehen will, was Krieg bedeutet,

der sollte sich die nachfolgenden Bilder genau anschauen...

Eltern und halbwüchsige Jungen versuchen Kinder bzw. Geschwister auf die andere Flussseite zu bringen. Zwischen den Schwellen sind gefährliche Lücken. Ein Fehltritt genügt und sie stürzen in das eiskalte Wasser der Elbe. An eine Rettung war dann kaum zu denken, jeder war mit sich selbst beschäftigt.


Im Elbepark erinnert heute ein Gedenkstein an das Geschehene.


Elbe-Straßenbrücke Tangermünde, eröffnet am 10. September 1933.

Bis zu diesem Tag verband eine Fähre das Ost- mit dem Westufer der Elbe. Die Projektplanungen für den Bau einer Brücke über die Elbe reichen bis Anfang der 1920er-Jahre zurück. Getragen wurde das Projekt durch die Provinz Sachsen. Der Landkreis Stendal favorisierte einen Brückenneubau bei Hämerten zusammen mit der Elbe-Eisenbahnbrücke. Die Stadt Tangermünde jedoch beharrte auf eine eigene Straßenverbindung über die Elbe, so dass es bis 1926 dauerte, bis es zu einer Einigung kam. Nach zwei Jahren Bauzeit (1932-33) wurde das Projekt fertig gestellt und konnte am 10. September 1933 seiner Bestimmung übergeben werden. Die Länge über die Elbe einschl. Flutgebiet betrug rund ein Kilometer, hinzu kamen ein Kilometer vom Ostufer in Richtung der Reichsstraße 107 bei Fischbeck.

Eine Besonderheit der Brücke war, dass sie Platz für ein Eisenbahngleis auf der Nordseite bot. Es wurde bereits beim Brückenbau aus Richtung Fischbeck angelegt und wuchs zusammen mit der Brückenlänge. Auf ihm wurde Beton, Brückenteile und Maschinen auf Eisenbahnwagen herangeschafft und entladen. Dazu wurde nördlich der Haltestelle Fischbeck (eine Station der Genthiner Kleinbahn in Normalspur-weite), ein Abzweig angelegt. An der Westseite der neuen Elbbrücke wurde die Schiene an den Verbindungsbogen der Tangermünder Hafenbahn (Betreiber war die Stendal-Tangermünder Eisenbahn A.G.) angeschlossen.

Nach der Fertigstellung hatte das Gleis noch eine weitere Aufgabe. Es sollte als Umfahrungsmöglichkeit dienen, falls die Eisenbahnbrücke bei Hämerten einmal ausfallen sollte. Obwohl im Jahr 1933 die Nationalsozialisten offiziell noch nicht von Krieg sprachen, hatte sie bereits vorgesorgt, denn 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Für die Nutzung des Brückengleises als Umleitungsstrecke sind lediglich vier Zugfahrten bekannt geworden: Zwei Lazarett- und zwei Versorgungszüge im Jahr 1944 auf Veranlassung der Wehrmacht und durchgeführt von der DR, da die Elbe-Eisenbahnbrücke Hämerten durch Tieferfliegerangriffe beschädigt worden war.

Nach Zeugenaussagen wurde die Brücke am 12. April 1945 kurz vor der Mittagzeit von der Wehrmacht gesprengt, als sich ihr die ersten amerikanischen Panzer näherten, die bereits im Stadtgebit eingedrungen waren. Die Kameraden der Wehrmacht haben bei ihrer storischen Befehlbefolgung im Rahmen der „Taktik der verbrannten Erde“ (Nero-Befehl) völlig übersehen oder sollten darauf keine Rücksicht nehmen, dass sie damit ihren Kameraden auf der Ostseite der Elbe die Rückzugsmöglichkeit vor den Russen genommen bzw. wesentlich erschwert hatten. Zum Glück war nur die Hauptbrücke, nicht jedoch die Vorflutbrücken von der Sprengung betroffen.

Das zehntausende Soldaten und Zivilisten danach trotzdem über das eingestürzte Bauwerk auf die Westseite gelangten ist dem Umstand zu verdanken, dass die Amerikaner trotz anfänglicher Ablehnung (Zurückweisung von Soldatengruppen, machmal sogar unter Anwendung der Schusswaffen), dann doch ihr Einverständnis zum Überschreiten der Elbe gaben. Es wurden auch Schuten und Privatkähne zum Übersetzen genutzt, alles was durch das eiskalte Elbwasser schwimmen konnte. Der Fluss führte in jenem Frühjahr glücklicherweise kein Hochwasser, dass hätte alles noch verschlimmert.  

Nach dem 2. Weltkrieg wurde das Notgleis abgebaut, da es durch Kriegseinwirkung ohnehin stark beschädigt war, wie die nachfolgenden Bilder zeigen. Die ehemalige Gleistrasse diente danach der Anbindung der F188 (Richtung Rathenow) an die F107 (Havelberg - Fischbeck - Genthin).

Die Einweihung am 10. September 1933. Am linken Brückenausläufer vor den Häusern ist die Trasse des Notgleises in Richtung der Hafenbahn erkennbar (Pfeil). Das aber Gleis fehlt noch, vermutlich aus Gründen der Geheimhaltung. Die spätere Gleislage auf der Brücke und die Zufahrten waren beim Bau bereits berücksichtigt worden.

Ein wunderschöner Blick auf die neue Elbe-Straßenbrücke im Jahr 1934. Im Vordergrund entsteht gerade eine Luxus-Villa für den Zucker-Baron Meyer, Fabrikbesitzer der Tangermünder Zuckerraffinerie.

Die Zeichnung zeigt die Gleisführung des sogenannten „Notgleises“ der Eisenbahnumgehung zwischen Tangermünde (Anschluss Hafenbahn der Stendal-Tangermünder Eisenbahn) und Fischbeck an der Genthiner Kleinbahnstrecke Genthin - Jerichow - Fischbeck - Schönhausen/Elbe (1933-45).

Es ist durchaus möglich, dass es in Fischbeck auch eine Gleiskurve in Richtung Süden zur Haltestelle der Genthiner Kleinbahn gab, also nicht nur von und nach Schönhausen (Elbe), sondern auch von und nach Jerichow. Eine Straßenführung in einem Bogen mit passenden Radius am nördlichen Ortsrand von Fischbeck (bis 2001) an der ehemaligen Molkerei, legt die Vermutung nahe, dass es sich um eine entsprechende Verbindung gehandelt haben könnte. Falls ein Leser hierzu Erkenntnisse hat, wäre ich für die Aufklärung dankbar.  


Fortsetzung des Themas 2./3. Elbe-Straßenbrücke

oder

ZUM INHALSVERZEICHNIS

Am 28. Oktober 1932 wurde die Hauptbrücke eingeschwommen und montiert. Unter starker Anteilnahme der Tangermünder Bevölkerung unterquert symbolisch ein Tangermünder Schleppdampfer das neue Bauwerk.

Ausschnitt aus einem US-amerikanischen Dokumentarfilm. Er zeigt Wehrmachtssoldaten auf der gesprengten Straßenbrücke in die Gefangenschaft. Gut zu erkennen das Notgleis auf der westlichen Brückenabfahrt Richtung Hafenbahn. Tangermünde Anfang Mai 1945.    Quelle: Youtube (US-Army)  

Ein relativ schlechtes, aber seltenes Bilddokument: Auf dieser Aufnahme ist links das Gleis der Hafenbahn und rechts das Notgleis, dass von der Elbe-Straßenbrücke kommt, erkennbar. Im Hintergrund werden beide Gleise durch eine Weiche zusammengefasst. Das Gleis führt weiter zum Bf Tangermünde. Dort lagern zu diesem Zeitpunkt bereits tausende deutsche Kriegsgefangene.  Quelle: Youtube (US-Army Mai 1945)